Autor: Hendrik Fischer (publiziert in «Persönlich», Februar 2024)

In der ersten Persönlich-Ausgabe von 2023 blickten wir auf die Erwartungen und Möglichkeiten, wie künstliche Intelligenz in der Werbebranche allgemein ihren Platz findet und wo Potenziale und Herausforderungen liegen. Dabei zeigte Zbynek Zapletal, Experte für Programmatic, SEA und Social-Media-Werbung bei der Agentur Gamned!, auf, dass KI bei Effizienzsteigerungen in den Unternehmensprozessen, beispielsweise in der Schaltung von Werbung oder der Analyse von Zielgruppen, grosses Potenzial aufweist. Ein Jahr später richten wir uns nun genauer auf die Seite der Kommunikationsagenturen und Werbeschaffenden aus, welche in ihrer Kreativarbeit generative KI verwenden. Denn die Anwendung von KI bringt einerseits ganz neue Möglichkeiten der Kreativität, aber auch offene Fragen, vor allem in Bezug auf rechtliche Vorgaben, mit sich.

 

Fanny Rocchi, als Leiterin des KS/CS-Rechtsdiensts, hast Du bereits viele Anfragen zu rechtlichen Themen und KI von unseren Verbandsmitgliedern erhalten?

Ja, die rechtlichen Fragen rund um die Anwendung der KI häufen sich. Das war auch mit ein Grund, wieso wir von KS/CS die Praxistipps verfasst haben.

 

Im von Dir verfassten Ratgeber gehst du auf die Eingabe und Verwendung von KI generierten Inhalten detailliert ein. Was gilt es grundsätzlich bei KI-Systemen zu bedenken, die Inhalte generieren und zur Verfügung stellen?

Zu bedenken gilt es, dass die KI-Systeme ursprünglich mit einer Unmenge an Daten gefüttert oder auch trainiert worden sind. Bei diesen Trainingsdaten handelt es sich zum Beispiel um Bilder, Fotos, Werke der Literatur und Historik, Musikstücke, Kunstgegenstände, Zeitschriftenartikel, Filmen, Daten aus der Forschung und Wissenschaft, Marken, Designs, usw., die manchmal ohne Wissen oder Einverständnis der jeweiligen Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber sowie Urheberinnen und Urheber in die KI-Systeme eingegeben wurden. Anhand dieser Daten lernt das KI-System und generiert anschliessend mit dem erlernten Wissen «neue» Inhalte.

 

Was sind die möglichen rechtlichen Risiken hinsichtlich der Verwendung von KI in der Werbebranche?

Es besteht immer die Möglichkeit, dass bei den durch KI generierten Inhalten die ursprünglichen Werke, Bilder, Elemente, mit denen das KI-System trainiert wurde, noch erkennbar sind. In diesem Fall riskiert man zum Beispiel die Verletzung von Urheberrechten. Neben der Verletzung von Urheberrechten, riskiert man bei der kommerziellen Verwendung von KI generierten Bilder oder Textpassagen auch weitere Rechtsverletzungen. Mögliche Rechtsverletzungen wären zum Beispiel auch die Verletzung von Markenrechten, lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen, Persönlichkeitsrechten, usw.

 

Was würde das konkret bei einem Werbesujet bedeuten? Beispielsweise bei einer Werbung, auf welcher Barbie auf Skiern die Piste runterfährt?

Wird für ein Werbeplakat mit Hilfe von KI ein Bild generiert, auf dem Barbie auf Skiern eine Skipiste runterfährt, gilt es abzuklären, ob das Bild in seinen wesentlichen Charakterzügen an sich bereits besteht und vom KI-System allenfalls mit gewissen Bearbeitungen wieder herausgegeben wurde. Weiter wäre es zentral zu analysieren, wie die Barbie-Puppe in diversen Erscheinungen rechtlich geschützt ist und ob bei deren Verwendung z.B. die Verletzung von Markenrechten (Mattel, Barbie) und lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen droht, was wohl anzunehmen wäre. Weiter müsste z.B. überprüft werden, ob bei den Skiern noch eine Ski-Marke erkennbar ist, die verletzt werden könnte.

 

Demnach wäre es kein Problem, wenn die Person auf den Skiern nicht als Barbie erkennbar wäre? Könnte dann die Anbieterin des KI-Programms argumentieren, dass die Kreation ihr gehört?

Soweit kein Barbie erkennbar ist, wäre sicher ein zentrales rechtliches Problem weg. Zurzeit herrscht die überwiegende Meinung, dass kein Urheberrecht am maschinellen Schaffen der KI besteht. Das würde bedeuten, dass dieses KI-geschaffene Bild aus urheberrechtlicher Sicht auch von Dritten frei verwendet werden dürfte. Nur weil kein Urheberrecht am maschinellen Output entsteht, bedeutet dies aber noch nicht, dass Rechtsverletzungen per se ausgeschlossen sind. So muss man zum Beispiel auch die Nutzungsbedingungen des KI-Systems beachten (dürfen KI-Inhalt kommerziell verwendet werden?) sowie zum Beispiel auch lauterkeitsrechtliche Leistungsschutz-Vorschriften bedenken. Wiederum können Markenrechte eine Rolle spielen, falls Marken irgendwo sichtbar sind oder es kann auch sein, dass das Bild obwohl von KI-geschaffen trotzdem einem bestehenden Bild so stark ähneln könnte, dass Urheberrechte ein Thema wären.

 

Was sind demnach zentrale Punkte, welche eine Agentur beachten muss, wenn sie mithilfe von künstlicher Intelligenz einen Werbeinhalt generiert?

Zu beachten sind im Wesentlichen zwei Ebenen: Auf Ebene KI-System und Agentur gilt es abzuklären, ob die von der KI generierten Inhalte überhaupt kommerziell verwendet werden dürfen oder eben die Gefahr einer Verletzung von Schutzrechten Dritter besteht. Auf Ebene Kundschaft und Agentur gilt es die Kundin und den Kunden darüber aufzuklären, dass KI-Systeme für die Bearbeitung des Auftrages verwendet werden. In einem zweiten Schritt ist der Kundschaft offenzulegen, welche Arbeitsergebnisse KI-generierte Inhalte enthalten und was das in rechtlicher Hinsicht zur Konsequenz hat. Mit der Kundschaft sollte auch besprochen werden, ob gegenüber der Öffentlichkeit ein Hinweis angebracht wird, dass es sich um Werbeinhalte handelt, die mit Hilfe von KI generiert wurden.

 

Auch auf politischer Ebene wird heiss über das Thema KI, besonders im Hinblick auf deren Regulierung, diskutiert. Mit dem «AI Act» möchte die EU als erste eine umfassende Gesetzgebung zur Regulierung von künstlicher Intelligenz anbieten. Auch der Bundesrat hat bereits verschiedene Massnahmen getroffen. Wie beurteilst du die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die Anwendung von KI in der Werbung in der Schweiz?

In der Schweiz gibt es zahlreiche Gesetze, die es in der Werbebranche grundsätzlich einzuhalten gilt, wobei diese Vorschriften auch dann gelten, wenn die Werbeinhalte ganz oder teilweise durch KI generiert wurden. Beispiele solcher Gesetze wären das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Urheberrechtsgesetz, das Markenschutzgesetz, das Designrecht, das Datenschutzgesetz oder das Persönlichkeitsrecht. Lücken gibt es heute insbesondere bei der Frage, wie weit der Hersteller einer KI-Software in die Verantwortlichkeit für Ergebnisse eingebunden ist. Dass die heute geltenden Schutzrechtsvorschriften auch auf KI-Inhalte angewendet werden können, kann am folgenden Beispiel aufgezeigt werden: Ein Logo wird mithilfe der KI generiert. Das Logo wird daraufhin von der Agentur weiterbearbeitet und ausgestaltet. Die Frage, ob ein KI generiertes Bild umgestaltet werden darf und ab wann eine Neugestaltung des Bildes vorliegt, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Urheberrechts (Werk zweiter Hand). Nur weil der Begriff «KI» in den werberelevanten Gesetzestexten nicht zu finden ist, bedeutet dies nicht, dass zwingend eine Gesetzeslücke besteht. Meiner Meinung nach ist die aktuelle Schweizer Rechtsordnung betreffend die Anwendung von KI in der Werbung daher gut aufgestellt. Es herrscht kein rechtsfreier Raum. Wie sich die Gesetzgebung und die Rechtsprechung in der Schweiz in diesem Gebiet weiterentwickeln werden, bleibt allerdings abzuwarten und zu beobachten. In der Zwischenzeit werden wir das Thema weiterverfolgen und unsere Praxistipps in regelmässigen Abständen aktualisieren und ergänzen.

  

Zur Person:

Fanny Rocchi, Leiterin Rechtsdienst KS/CS und Verfasserin der Praxistipps, ist Rechtsanwältin und Partnerin in der Berner Kanzlei Schluep|Degen Rechtsanwälte, die auf Immaterialgüter-, Wettbewerbs- und Werberecht spezialisiert ist. Als Teil des KS/CS Teams begleitet sie alle gesetzgeberischen Prozesse und steht den Mitgliedern für Rechtsauskünfte – auch speziell zu Fragen um KI und Werbung – zur Verfügung.