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Von Big Data zur Echtzeit-KI – Werbung
Zwei Jahrzehnte im Sprint: Technologien überholen uns links, Gesetze rechts, und mittendrin kämpft die kommerzielle Kommunikation um Klarheit, Relevanz und ein paar Sekunden Aufmerksamkeit. Willkommen im Dauerfeuer zwischen Datenrausch und Werbeethik.
Autoren: Mike Hählen / Ekaterina Petrova
Zwei Jahrzehnte im Sprint: Technologien überholen uns links, Gesetze rechts, und mittendrin kämpft die kommerzielle Kommunikation um Klarheit, Relevanz und ein paar Sekunden Aufmerksamkeit. Willkommen im Dauerfeuer zwischen Datenrausch und Werbeethik.
Die 2010er: Zwischen Datenrausch und Digital-Hype
Big Data – das klang nach Zukunft, nach Durchblick, nach absoluter Kontrolle über Märkte und Menschen. Ein verheissungsvolles Versprechen in glänzender Verpackung. Bloss: Hinter den glänzenden Konferenzfolien und PowerPoint-Marathons herrschte oft mehr Rätselraten als Strategie. Bosses nickten weise, Werbetreibende lächelten bedeutungsvoll – aber was sie da eigentlich an Datenbergen analysierten, blieb häufig im Nebel.
Egal, die Revolution liess sich nicht aufhalten. Die Werbewelt preschte voran, als gäbe es kein Morgen. Algorithmen übernahmen das Steuer, Smartphones verwandelten sich in permanente Schaufenster, und Plattformen wurden zu perfekten Verkaufsautomaten. Konsumierende? Wischten so schnell, dass kaum noch Zeit blieb, die Angebote überhaupt wahrzunehmen.
Und dann wurde es richtig bunt: Aus Selfies wurden Business-Modelle, aus Selfie-Königinnen und -Königer echte Umsatztreiber. Influencerinnen und Influencer entdeckten, dass Likes nicht nur dem Ego, sondern auch dem Konto guttun. Ovomaltine legte mit der Kampagne „Mit Ovomaltine kannst du’s nicht besser. Aber länger.“ charmant vor – und zeigte, wie man mit Humor und authentischen Gesichtern mitten ins Herz der Zielgruppen trifft. Und weil gute Ideen bekanntlich keine Grenzen kennen, entdeckte auch die Politik das Story-Format für sich. Abstimmungskampagnen rutschten in die Insta-Storys, Hashtags ersetzten Abstimmungsparolen – und spätestens jetzt war klar: Willkommen im Dschungel der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie.
Die 2020er: Krise, KI und Kontrollverlust
Die 2020er warfen alles über den Haufen. Pandemie, Krieg, Lieferkettenschock – das Weltgeschehen als Dauerbrenner. Nachhaltigkeit avancierte vom Buzzword zur Businesspflicht. Marken, die nicht ökologisch dachten, wurden aussortiert und Offenheit wurde zur Währung.
Migros beispielsweise nutzte diesen Umschwung clever und startete ihre Nachhaltigkeitsinitiative „Generation M“, die nicht nur auf Recycling, sondern auf konkrete Versprechen setzte – öffentlich überprüfbar und medienwirksam.
Gleichzeitig spielte sich im Maschinenraum der Kommunikation eine kleine Revolution ab: Der Aufstieg der KI.
Was einst als neugierige Spielerei begann – nette Textvorschläge, zufällige Bilder, ein bisschen „Sie könnten auch mögen …“ – mauserte sich heimlich, still und leise zur Strippenzieherin im Marketingzirkus. Plötzlich schrieben sich Kampagnen gefühlt von selbst. Bilder? Werden längst nicht mehr von Fotografen geschossen, sondern von Algorithmen erschaffen, die nie einen müden Tag kennen. Emotionen? Werden nicht mehr nachempfunden, sondern einfach in Millisekunden generiert, mit präziser Berechnung des gewünschten Nervenkitzels.

Wer dabei noch glaubte, wir befänden uns in einem Sci-Fi-Drehbuch, der musste spätestens jetzt feststellen: Willkommen im Hier und Jetzt. Die Realität ist schneller, als Hollywood je hätte träumen können.
Daten – der unterschätzte Schatz mit Risikoaufschlag
Daten sind längst mehr als Zahlenkolonnen – sie sind das neue Gold. Nur: Wer seinen Datenschatz nicht schützt, spielt auf gefährlichem Terrain. Als Europa 2018 die DSGVO einführte, zuckten manche noch mit den Schultern. „Ach, das wird schon nicht so schlimm“, dachte man. Doch spätestens 2023, als auch die Schweiz mit dem revidierten Datenschutzgesetz nachzog, war klar: Mit Laissez-faire ist es endgültig vorbei. Seitdem gilt: Kommunikation ohne klare Ethik? Keine schlaue Idee – sondern ein ziemlich kostspieliger Fehler.
Man sieht das perfekt an der Cookie-Diskussion auf Schweizer Nachrichtenseiten wie „20 Minuten“. Früher ploppten die kleinen Banner fast beiläufig auf, heute wird der Leser schon vor dem ersten Scrollen höflich, aber bestimmt gefragt: „Willst du uns deine Daten anvertrauen?“ Consent Management klingt harmlos, ist aber längst zum Pflichtprogramm geworden.
Und auch sonst schärfen die Behörden den Blick. Greenwashing? Keine lustige PR-Volte mehr, sondern juristisches Minenfeld. Digitale Plattformen? Nicht länger nur neutrale Marktplätze, sondern verantwortlich für das, was sie verbreiten. Und überhaupt: Wer heute noch meint, Kommunikation funktioniert ohne Nachweise, lebt in der Vergangenheit. Die neue Formel lautet: Transparenz schlägt Taschenspielertricks.
KS/CS: Zwischen Gesetz, Gewissen und Gestaltungswille
KS/CS mischt mit. Nicht als Chronist, sondern als Akteur. Der Verband bringt Fachwissen in Gesetzesprozesse, positioniert sich klar im politischen Diskurs und veröffentlicht Praxishilfen, bevor der Gesetzgeber nachkommt – wie beim KI-Guide im Februar 2024.
So begleitete KS/CS auch die Diskussion um die Verordnung für nachhaltige Werbung und legte dabei Wert darauf, dass Unternehmen nicht nur Pflichten, sondern auch praxisnahe Orientierung erhalten.
Das Ziel? Klare Spielregeln, die Freiheit nicht beschneiden, sondern ermöglichen. Die Branche braucht keine Bevormundung, aber sie braucht Rückgrat. Und genau da kommt KS/CS ins Spiel: als Stimme der Selbstregulierung und als Garant für marktwirtschaftliche Prinzipien. Fazit: Haltung first, Hype later.