Interview: Vera Baldo-Tschan: zVg (publiziert in «Persönlich», Heft 04/2023)
Wie gehen Sie mit dem Thema Gendervielfalt in der Werbung um?
Da unsere Arbeit bei Serviceplan Suisse immer öffentlich sichtbar ist, sind wir uns unserer Verantwortung bewusst. Wir gehen mit dem Thema Gendervielfalt sehr sorgfältig um, diskutieren es immer wieder intern und mit unseren Kund*innen selbstverständlich auch.
Erhalten Sie von Ihren Kundinnen und Kunden Vorgaben in diesem Bereich? Stellen Sie hier eine neue Entwicklung fest?
Es gibt immer weniger Kund*innen, die dem Thema gegenüber gleichgültig sind. Wir erhalten zunehmend Anfragen, wie damit umgegangen werden soll. Grosse Unternehmen haben meistens bereits Richtlinien dazu erarbeitet, die wir jeweils übernehmen.
Setzen Sie Gender-Marketing in Ihren Arbeiten ein? Wenn ja, gibt es Beispiele?
Es gibt sehr selten Produkte, welche eine Zielgruppe haben, die sich auf ein klar definiertes Geschlecht eingrenzen lassen, z.B. Damenhygiene. Wir möchten niemanden ausschliessen oder speziell ansprechen auf Grund des Geschlechts, das ist weder für die Kommunikation sinnvoll, noch entspricht es der Rücksichtnahme auf Diversität. Solche Kampagnen sind dann auch oft sehr stark von Klischees geprägt.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie im Umgang mit geschlechtsneutraler Werbung?
Die Herausforderung ist, dass die Werbung schnell, klar, emotional und einprägsam ist, ohne Befindlichkeiten von Menschen zu verletzen. Fragen der Identität werden gerade heiss diskutiert. Wir verfolgen den Diskurs und passen, wenn nötig, unsere Kommunikation an. Schlussendlich machen wir aber Werbung und wollen eine bestimmte Zielgruppe mit ihren Vorlieben, Bildern, Musik und usw. ansprechen – damit dies richtig funktioniert, kann die Werbung gar nicht «neutral» sein.
Können Sie mit Gender-Marketing auch spezifische Zielgruppen abholen, die bisher in der Werbung nicht direkt angesprochen wurden?
Nein, das würde ja bedeuten, dass man vorher Menschen bewusst ausgelassen hat. Und zu stark auf eine bestimmte Zielgruppe einzugehen, ist dann auch wieder mit Klischees und Vorurteilen behaftet; ich denke, gerade Randgruppen sind da (zu Recht) besonders sensibel.
Die Chefredaktorin vom Deutschlandfunk Birgit Wentzien sagt: «Sprache formt Wirklichkeit» – wo sehen Sie die Rolle von der Werbung im gesellschaftlichen Wandel der Sprache?
Ich stimme Birgit Wentzien vollkommen zu; unsere Sprache widerspiegelt unsere gelebte Realität und unsere Werte. Wenn nur ein Geschlecht repräsentiert wird, dann ist das einfach falsch. Das gilt auch für Bilder in den Medien und der Werbung. Wie bereits erwähnt: Als Kommunikationsfachleute haben wir durchaus eine Verantwortung, Diversität zu beachten – auch bei der Beratung unserer Kundschaft. Konsument*innen sind heute sensibler denn je gegenüber dem Verhalten und der Kommunikation von Unternehmen. Was ich persönlich sehr gut finde.
Die Werbung vermittelt Bilder. Auf was wird bei Ihren Kampagnen besonders Wert gelegt? Oder variiert dies komplett je nach Kundin oder Kunde?
Das hängt stark von der Botschaft ab, welche die Kampagne transportieren soll. Auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis der Protagonist*innen wird schon länger Rücksicht genommen und sich plumper Stereotypen zu bedienen, spricht nicht gerade für Kreativität. Unsere Aufgabe ist es, mit der Darstellung von Zielgruppen sehr bewusst und sorgfältig umzugehen.
Wie geht es mit der geschlechtsneutralen Sprache in der Werbung in Zukunft weiter?
Unsere Landessprachen verlangen sehr oft eine Geschlechtsspezifikation; in der englischen Sprache ist es einfacher. Es wird sich nichts ändern mit «Ihr seid im Fall auch mitgemeint», das muss man auch zeigen. Wir möchten alle Geschlechter ansprechen und benutzen deshalb inklusive Sprache. An das Sternchen gewöhnt man sich schnell, denn irgendeine Lösung braucht es. Ich wünsche mir eine respektvolle, tolerante Gesellschaft, welche sich auch in der Sprache widerspiegelt.
Zur Person: Seit 25 Jahren ist Barbara Hosenböhler engagiert in der Werbewelt unterwegs, meistens auf Agenturseite, aber auch einige Jahre bei Auftraggebern tätig. Eidg. Dipl. Kommunikationsleiterin, MAS in Marketing & BWL und ein CAS in Medienarbeit. Seit drei Jahren bei Serviceplan Suisse als Head of Content & Corporate Communication.
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