Autor: Jürg Bachmann
Plakate sind Zeitzeugen. Sie geben darüber Auskunft, wie in einer bestimmten Zeitepoche kommuniziert wurde. Lange war ich fasziniert von der Kommunikations- und Bildsprache alter Tourismusplakate. Wieso war den Auftraggebern und Gestaltern gerade das wichtig, was sie auf dem Plakaten darstellten? Klar: Sonne, Schnee, Berge, Seen; aber auch Fahrpläne, Hotelpreise und Essenszeiten. Das Plakat diente nicht nur der Positionierung von Marken, sondern war auch ein klassisches Informationsmedium. Für Konzerte und Veranstaltungen gilt das bis heute. Wie jede Kommunikationsform, hat sich auch die Aussenwerbung verändert und weiterentwickelt. Immer war sie Spiegel der Art und Weise, wie Menschen angesprochen werden wollten.
Es gab auch Abstürze. Ich erinnere mich an eine Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich, die ich mit zwei Freunden besuchte, die eine Werbeagentur besassen. Unter dem Titel «Wirklichnichtgut» wurden die 99 schlechtesten Plakate der letzten Jahre gezeigt. Obwohl es, wie ich vermutete, keines aus ihrem Haus in diese Gesellschaft schaffte, war das gemeinsame Abschreiten der Exponate spannungsvoll. Wieso hat gerade dieses Plakat Bild und Sprache vergeigt? War die Botschaft verwässert, die verwendeten Schriften unpassend oder das Bild aus dem Zusammenhang gefallen? Plakate lesen sich wie Kunstwerke. Fallen sie auseinander und kommt beim Empfänger nichts an, verfehlen sie ihr Ziel.
Aussenwerbung hat noch viel ungenutztes Potential. Bin ich in Italien unterwegs, bestaune ich die übergrossen Bildschirme an Häusern, auf denen Werbung läuft. Es gibt keine Kirche und kein öffentliches Gebäude, an dem, wenn es für eine Renovation eingerüstet ist, nicht ein grosser Bildschirm mit Werbung prangen würde. Immer mit dem Hinweis: «Die Erträge aus dieser Werbung werden für die Restaurierung dieses Gebäudes verwendet.» Aussenwerbung im Dienste der Öffentlichkeit. Auch bei uns fliesst viel Geld der Aussenwerbung in die öffentlichen Kassen.
Politische Angriffe und Forderungen nach Einschränkung und Verboten von Aussenwerbung, die heute zu einer demagogischen Agenda ohne wissenschaftliches Fundament gehören, sind darum vehement zu bekämpfen. Weil sich diese Politik gegen eine wichtige Ausdrucksform richtet, die zur Meinungsbildung, zum Wettbewerb und zum Wohlstand beiträgt. Und weil sie den Menschen als Konsumentinnen und Konsumenten Entscheidungsmöglichkeiten bietet. Nicht nur eine ausgezeichnete Werbeform ginge verloren, sondern auch viel Tradition. Tragen wir also Sorge zur Aussenwerbung!
Der Text erschient ursprünglich in der persönlich-Sonderausgabe «APG»