Von Rezession zum Hedonismus – gezielter Mehrkonsum und mehr Regulierungen in den 70ern und 80ern Jahren.

Die 1970er-Jahre waren von globalen wirtschaftlichen Herausforderungen geprägt: Die Ölkrise von 1973 sorgte weltweit für Rezessionen, Unsicherheiten und steigende Arbeitslosigkeit. Themen wie Preisbewusstsein und Sparsamkeit prägten den Konsum, während Unternehmen und Werbetreibende nach neuen Wegen suchten, um Verbraucherinnen und Verbraucher anzusprechen. Wobei bereits in den 1980er dieser Trend wieder ins Gegenteil und dabei zum Hedonismus und Luxus schwebte und die Werbetreibende vor grösseren Herausforderung für die verantwortungsvolle Werbung stellte – Brancheninitiativen und Regulierungen waren die Antwort.

Autoren: Mike Hählen / Ekaterina Petrova

Die Älteren unter den Lesenden erinnern sich: Die Ölkrise der frühen 70er Jahre führte dazu, dass der Bundesrat mehrere autofreie Sonntage verfügte. Dies damals (noch) nicht aus Umweltschutzgründen, sondern um Benzin und Öl zu sparen. So gähnend leer die Strassen von Autos waren, so gähnend leer waren auch die Portemonnaies von Herr und Frau Schweizer. Die Wirtschaft baute bis Mitte 70er Jahre mehrere hunderttausend Stellen ab; der Konsum brach ein. Klar, hatte dies auch Folgen für die Werbebranche!

Die 1970er: Rezession, Zielgruppen und Markenpersönlichkeiten

Um die Konsumentinnen und Konsumenten zu erreichen, waren neue Rezepte gefragt und so fand ein Umdenken statt: Statt auf generische Botschaften zu setzen, entdeckten Werbetreibende die Zielgruppenwerbung. Mithilfe von Marktforschung wurden Kampagnen spezifisch auf verschiedene Bevölkerungssegmente zugeschnitten. Besonders sichtbar wurde dies im Aufbau von Markenpersönlichkeiten, die Konsumierende emotional ansprechen und ihnen Orientierung geben sollten. Marken wurden zu persönlichen Begleitern, ein Trend, der bis heute fortbesteht.

Ob glücklicher Zufall oder aus der Not, weil die Gemeinden nach Erträgen suchten, ist unklar, doch nahm damals die Zahl der Plakatstellen in den Städten enorm zu. Günstig in der Herstellung, visuell sehr attraktiv knüpfte dieses beliebte Medium an die Schweizer Design- und Grafik-Tradition an. Die visuelle Dominanz der Plakatwerbung führte zu neuen kreativen Höhepunkten. Ein herausragendes Beispiel ist das 1972 eingeführte SBB-Signet von Hans Hartmann, das zur Ikone der Schweizer Design- und Werbegeschichte wurde.

Das SBB Signet.

Die 1980er: Hedonismus, Luxus und Glamour und Markeninszenierung

Fast schien es, als müsste die ganze Welt die wirtschaftliche Tristesse der 70Jahre überkompensieren. Mit dem Aufschwung der Wirtschaft – ausgelöst durch die USA – stürzten sich auch die Schweizerinnen und Schweizer regelrecht auf alles, was nach Luxus, Lust und Konsum aussah. Legendär und stellvertretend für die damalige Zeit war beispielsweise das Buch «New Marketing» des Demoscope-Gründers Werner Wyss, Mitte 80er Jahre von New Age und neuen Konsumententypen sprach und die Leittrends «Hedonismus», «Extraversion», «Erotik», «Aktivität» und «Technik» beschrieb.

Mit der Wahl Ronald Reagans zum US-Präsidenten begann weltweit eine Ära des Optimismus und der Konsumkultur. Die sogenannte Reaganomics-Politik förderte wirtschaftliches Wachstum, während sich in der Gesellschaft ein hedonistischer Lebensstil etablierte. Auch in der Werbung spiegelte sich dieser Wandel wider: Optimismus, Glamour und ein Hauch von Luxus prägten die Kampagnen. In der Schweiz dominierten die Luxusgüter wie Schmuck, Autos und Modeartikel die Werbebotschaften. Marken wurden zunehmend inszeniert, nicht nur als Produkte, sondern als Symbole eines Lebensstils. Ein Paradebeispiel dafür ist die künstlerische Kampagne für die Zigarettenmarke STAR von Philip Morris, die von Schweizer Kreativagentur Sulzer, Sutter, konkret von Irene Hiltpold und Michael Schäpe entwickelt und mit aufwändigen Film- und TV-Spots beworben wurde. Faber Castell, der Schreibgeräte Hersteller, nimmt z.B die Jugend als Zielgruppe ins Visier und nutzt ihre Vorlieben – von Diskotheken bis Starkult – um seine Produkte zu inszenieren.

 

Regulierungsansätze und Brancheninititativen

Parallel zur Marktorientierung wuchs das Bewusstsein für den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Diskussionen über die Auswirkungen von Werbung auf die Gesundheit dieser Zielgruppen gewannen an Bedeutung. KS/CS engagierte sich frühzeitig für einen verantwortungsvollen Umgang mit Werbung und setzte sich dafür ein, ethische Standards zu etablieren. Besonders Alkohol- und Tabakwerbung stand in der Kritik, was KS/CS dazu brachte, bei der Gestaltung der Richtlinien mitzuwirken. Die Kritik an manipulativer Werbung und an der kommerziellen Ausbeutung von Konsumwünschen nahm in den 1970er Jahren zu. Für die weitere Professionalisierung der Werbung sorgte der Verband mit der Förderung der Ausbilding, eidgenössische Abschlüsse, dazumal als Werbeassisstent, heutzutage sind es Kommunikationsfachleute, die in allen drei Sprachregionen der Schweiz ausgebildet werden.

Das Radio und Fernsehen stiegen in den 70er Jahren zu grössten Medien. Mit der Zeit geriet die SRG von allen politischen Seiten unter Druck – viele Menschen wünschten sich Alternative zu den durch Gebühren finanzierten Programmen. Diese Alternative wurde 1983 geschaffen, als die Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen für private Lokalradios einführte.

Anfang 80er Jahre wurde zudem die Stiftung Werbestatistik Schweiz gegründet, die wertvolle Daten und Analysen über die Entwicklung der Werbebranche liefert und zur Professionalisierung des Sektors beiträgt.

Fazit: Wegbereiter für verantwortungsvolle Werbung

In den 1970er- und 1980er-Jahren bewies KS/CS, wie wichtig es ist, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen mit den Bedürfnissen der Marketingbranche zu verbinden. Durch die Förderung von Zielgruppenwerbung, die Inszenierung von Marken und die Etablierung ethischer Standards trug der Verband massgeblich dazu bei, die Schweiz als Vorreiterin für verantwortungsvolle und innovative Werbung zu positionieren.

KS/CS damals wie heute

Die Regulierung der Werbung in der Schweiz hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts stetig weiterentwickelt. Vom anfänglichen Fokus auf Selbstregulierung und Branchenstandards bis hin zu umfassenden gesetzlichen Massnahmen für Konsumentenschutz und digitale Medien spiegelt sie die technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen wider. Die Kernwerte blieben bestehen: Integrität, Verantwortung und Authentizität.