Autorin: Vera Baldo-Tschan, Bilder: z.V.g.
In Genf soll ab 2025 die kommerzielle Werbung auf öffentlichem Grund völlig verboten werden. Das will jedenfalls die Stadtregierung und die Bevölkerung wird darüber abstimmen. Wie erklären Sie sich diese Bewegung?
Christoph Marty: Unsere Wahrnehmung ist, dass dies einzelne Exponentinnen und Exponenten sind, welche besonders stark lobbyieren. Aussenwerbung geniesst grundsätzlich eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und wird auch für den optimalen Mediamix nach wie vor stark angefragt von Werbetreibenden. Die darunter liegende Tendenz geht in Richtung Verbot von Werbung = Bevormundung der Konsumentin und des Konsumenten. Was dabei vergessen wird: die Kundinnen und Kunden werden nicht aufhören Werbung zu treiben. Heute bekommt die öffentliche Hand rund 50% der 350 Millionen Franken Aussenwerbegeld in Form von Abgaben. Diese fallen weg bei einem Verbot.
Ähnliche Initiativen finden auch in Bern statt. Welche Auswirkungen hätte ein komplettes Werbeverbot in einer Stadt wie Genf oder Bern auf die Werbebranche?
Die Werbewirtschaft wird ihr Budget in diesen Regionen auf andere Kanäle verlagern. Sofern dies nur punktuell der Fall ist, gibt es noch Alternativen. Dabei profitieren aber auch unweigerlich die grossen Internetgiganten, welche ihre Wirtschaftsleistung nicht in der Schweiz erbringen.
Ist ein solches Aussenwerbeverbot überhaupt umsetzbar?
Juristisch auf öffentlichem Grund per Gesetz möglich – Wettbewerbsrechtlich für uns fragwürdig, speziell wenn es auch Flächen auf privatem Grund betrifft.
Sehen Sie selbstregulatorische Massnahmen, um Kritikerinnen und Kritikern der Aussenwerbung entgegenzukommen?
Der Aussenwerbemarkt ist per Gesetz schon sehr stark reguliert, die Bewilligungsverfahren für Standorte sind sehr aufwändig. Massnahmen, die darüber hinausgehen sind zum Beispiel unsere Ethikkommission, welche über Sujets entscheidet, deren Umsetzung wir als nicht geeignet für Plakatwerbung halten. Weiter können Flächen (analog und digital) nur zu spezifischen Zeiten oder mit ausgewählten Plakaten bespielt werden, wenn sie sich zum Beispiel in der Nähe von Schule befinden.
Wo sehen Sie Ihre Verantwortung bei der Kritik, die ein Teil der Gesellschaft an die Aussenwerbung richtet?
Aussenwerbung ist aufgrund ihrer Natur stark exponiert und steht in der Öffentlichkeit. Das dadurch ein Diskurs entsteht, schätzen wir auch, es gehört zu unserem Geschäft dazu. Wir nehmen diesen ernst und kommunizieren als Unternehmen offen und verstecken uns nicht. Damit nehmen wir auch unsere Verantwortung wahr. Was wir uns allerdings mehr wünschen, ist ein Dialog und kein unüberlegter Ruf nach flächendeckenden Verboten.
Plakatwerbung wurde in der Schweiz so stark, weil sie für die kommunalen Wahlen und Abstimmungen in unserem System sehr wichtig war und weiterhin ist. Politikerinnen und Politiker und auch Initiantinnen und Initianten sollten dies bei ihrer Argumentation berücksichtigen. Wenn Plakate nicht mehr gewinnbringend betrieben werden können, wird sich auch niemand mehr finden, der für politische Anliegen Plakatflächen anbieten wird.
Werbung ist wie Wasser und findet immer ihren Weg. Wohin würde die Werbung bei einem Verbot der Aussenwerbung ausweichen und mit welchen Auswirkungen auf die hiesige Wirtschaft?
Werbung folgt immer der Aufmerksamkeit der Konsumentinnen und Konsumenten. Dort, wo die meisten «Eyeballs» sind, wird das Budget eingesetzt. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind, wie bereits erwähnt, dass die Werbegelder nicht unbedingt zu Unternehmen mit Wertschöpfung in der Schweiz fliessen.
Immer wieder hört und liest man den Vorwurf, digitale Werbeflächen würden zu viel Strom verbrauchen. Kommen diese Flächen unter Druck?
Oftmals werden bei diesem Vorwurf nicht alle Faktoren miteinbezogen werden, die damit verbunden sind. Die Bilanz verändert sich je nach der Betriebszeit oder wenn analoge Flächen durch Screens ersetzt werden. Es ist richtig, dass wir in der heutigen Zeit ein genaues Auge darauf haben, wie wir mit unserer Energie haushalten. Das machen wir aber ebenfalls und sind kontinuierlich dran, unseren Fussabdruck zu verkleinern. Der Druck entstand erst im Zusammenhang mit einer möglichen Stromknappheit – für den Vergleich analog zu digital ist aber der Verbrauch weniger entscheidend als die Laufzeit einer digitalen Fläche.
Was tut Clear Channel konkret im Bereich Nachhaltigkeit und im Hinblick auf die anstehende Stromknappheit?
Wir nehmen das Thema Corporate Social Responsibility ernst. Seit fünf Jahren erfassen wir sämtliche unsere Aktivitäten nach den Standards der Global Reporting Initiative. Das macht uns international vergleichbar und damit sind wir sehr transparent, was unsere Tätigkeiten anbelangt. Wir rüsten kontinuierlich unsere Stellen um auf Beleuchtung mit LED, verwenden Ökostrom und reduzieren als Unternehmen unseren Papierverbrauch. Ausserdem unterstützen wir ausgewählte Initiativen finanziell, die zum Beispiel die Biodiversität in der Schweiz fördern.
Was sind die Stärken von Aussenwerbung?
Sie ermöglicht einen hohen Reichweitenaufbau innert kurzer Zeit und schafft Bekanntheit und eine hohe Visibilität. Sie kann flächendeckend, aber auch gezielt eingesetzt werden. Mit Digital Out of Home haben wir heute die Möglichkeit innert 20 Minuten eine Werbung live zu schalten und abzustimmen auf Zeit, Ort und Wetterbedingungen. Es kann Bezug auf Ereignisse genommen werden, oder die breite Öffentlichkeit angesprochen werden. Weiter ist Aussenwerbung im TKP-Vergleich günstig und bietet auch schon für kleinere Budgets Werbemöglichkeiten.
Wo sehen die Zukunft der Aussenwerbung?
Sofern uns nicht wieder eine Pandemie dazwischenkommt, sehe ich Aussenwerbung mit einem steigenden Anteil im Mediamix, der vor allem auch auf das Wachstum von Digital Out of Home zurückzuführen ist. Werbeauftraggeber werden noch stärker die Vorteile dieses Mediums nutzen und in Kombination mit klassischen Plakaten auf diese Werbegattung setzen. Daneben werden Ausschreibungen weiterhin kompetitiv bleiben und das politische Umfeld wird herausfordernder. Es wird uns definitiv nicht langweilig werden und das ist gut so.
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