Text: Jürg Bachmann, Dr. Marc Schwenninger (publiziert in «Persönlich», Heft 10/2022)
Bei KS/CS Kommunikation Schweiz setzen wir uns für die Werbefreiheit ein. Denn Werbung ist wichtig für die Information der Konsumentinnen und Konsumenten und die Transparenz der Volkswirtschaft. Für legal hergestellte und verkaufte Waren und
Dienstleistungen muss ehrliche und verantwortungsvolle Werbung erlaubt sein. Das ist nicht nur ein Grundsatz der freien Marktwirtschaft, sondern auch der ausdrückliche Wunsch des Gesetzgebers. Allerdings kommt dieses verfassungsmässig verbriefte Recht immer mehr unter Druck. Rauchen verbieten? Geht nicht. Also möchten Behörden und Teile der Politik wenigstens die Werbung dafür verbieten. Fleisch essen verbieten? Geht schon gar nicht. Bestimmte Werbung dafür verbieten angeblich schon. Werbung wird stellvertretend für viele gesellschaftliche Probleme an den Pranger gestellt, die sonst nicht gelöst werden können. Ein billiges politisches Mittel, das wenig bringt und viel Schaden anrichtet.
«Die Werbung geniesst den Schutz der Schweizer Bundesverfassung.»
Dabei gibt es ein Recht auf Werbung
Ein wichtiger Grundsatz geht bei politischen Diskussionen um Werbung und Werbefreiheit immer wieder vergessen. Werbung ist keine kalkulierte Erfindung von Handel und Industrie, die dazu dienen soll, Konsumentinnen und Konsumenten zu Ausgaben für Dinge zu verleiten, die sie gar nicht wollen und brauchen. Werbung stützt sich, abgesehen von der zwingenden Notwendigkeit für eine funktionierende Wirtschaft, auf zahlreiche Rechtsnormen, die nicht einfach übergangen oder umgestossen werden dürfen.
«Werbebeschränkungen bedürfen einer klaren gesetzlichen Grundlage und müssen zweckmässig und verhältnismässig sein.»
Es gibt ein Recht auf Werbung – Einschränkungen müssen verhältnismassig sein
Die Werbung geniesst den Schutz der schweizerischen Bundesverfassung. Diese verfassungsmässig garantierte Werbefreiheit leitet sich ab aus der Wirtschafts- und Meinungsäusserungsfreiheit. Werbeeinschränkungen oder sogar -verbote müssen demnach den von der Verfassung vorgegebenen Voraussetzungen an die Einschränkung von Verfassungsrechten genügen: Sie bedürfen einer klaren gesetzlichen Grundlage, und solche Einschränkungen müssen zweckmässig sowie
verhältnismässig sein. Es stellen sich demnach immer die Fragen: Welche öffentlichen Interessen werden mit einem Eingriff in die Werbefreiheit geschützt? Werden mit dem Eingriff die Ziele des Eingriffes tatsächlich erreicht? Ist der
Eingriff verhältnismässig, oder gibt es andere, weniger einschneidende Massnahmen, mit denen die beabsichtigten Ziele erreicht werden können?
Werbung hat schon heute redlich zu sein
Die Werbefreiheit ist heute schon stark eingeschränkt. Es bestehen gesetzliche Vorgaben an die Werbung, die mit drastischen
Sanktionen verbunden sind. So hält beispielsweise das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb fest, dass Verstösse gegen die Bestimmungen über unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden können. Zu diesen Bestimmungen gehört beispielsweise die ganz zentrale gesetzliche Vorgabe: Werbung über das eigene Angebot oder auch vergleichende Werbung darf nicht unrichtig oder irreführend sein. Zudem muss das werbetreibende Unternehmen die Richtigkeit seiner Werbeaussagen beweisen können.
Für Werbung gelten klare Regeln, und die Redlichkeit wird überwacht
Darüber hinaus haben die Gerichte oder auch die Schweizerische Lauterkeitskommission ganz generell die Kompetenz, Werbung
daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Grundsatz von Treu und Glauben entspricht. Aus dieser zusätzlichen gesetzlichen Vorgabe
haben sich für die Werbung verschiedene weitere Grundsätze der Schweizerischen Lauterkeitskommission ergeben (siehe faire- werbung.ch, Grundsätze der SLK), zum Beispiel:
· Werbung soll als solche erkennbar und von anderen Inhalten (z. B. redaktionelle Kommunikation) klar getrennt sein (Grundsätze B.15 und 15a).
· Werbung darf nicht geschlechterdiskriminierend sein (Grundsatz B.8).
· Die Verwendung von identifizierbaren Angaben zu einer Person (z. B. Name, Abbild, Aussage, Stimme) ist ohne ausdrückliche
Zustimmung unzulässig (Grundsatz B. 7).
· Es ist unzulässig, in der Werbung computertechnisch bearbeitete Abbildungen von Körpern oder Körperformen in täuschender Weise einzusetzen, um damit eine Wirkung oder ein Ergebnis auszuloben, die beziehungsweise das nicht erzielbar ist (Grundsatz B.9).
Jede Person kann Verstösse gegen die Lauterkeit anzeigen
Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch Konkurrentinnen und Konkurrenten können Gesetzesverstösse oder Verstösse gegen diese Grundsätze in einem einfachen Verfahren mittels Beschwerde bei der unabhängigen Beschwerdeinstanz, der Schweizerischen
Lauterkeitskommission, geltend machen. Im Rahmen einer solchen Beschwerde können zudem auch Verstösse gegen den Werbe- und Marketingkodex der Internationalen Handelskammer beanstandet werden (siehe faire-werbung.ch, ICC-Kodex).
In diesem ICC-Kodex finden sich weitere Vorgaben an lautere Werbung, zum Beispiel:
· Werbung soll so gestaltet sein, dass sie weder das Vertrauen des Verbrauchers missbraucht noch mangelnde Erfahrung oder fehlendes Wissen ausnutzt (Art. 4).
· Bei Werbung, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, muss besondere Sorgfalt verwandt werden. Dabei sollen positives soziales Verhalten, Lebensstil und entsprechende Einstellung nicht untergraben werden (Art. 18).
· Werbung darf keine Aussagen oder visuellen Darstellungen enthalten, die Verbraucher in irgendeiner Weise irreführen können bezüglich der Umweltaspekte oder Vorzüge von Produkten oder Aktivitäten, die der Werbungtreibende zugunsten der Umwelt unternommen hat (Art. D1).
Bestehende Regulierungen anwenden statt neuer Verbote
Werbung geniesst den Schutz der Verfassung. Einschränkungen dieser Werbefreiheit müssen die verfassungsmässigen Voraussetzungen wie Zweckmässigkeit und Angemessenheit erfüllen. Heute bestehen bereits unzählige Vorgaben, die lautere Werbung zum Inhalt haben. Bevor an neue Werberestriktionen gedacht werden darf, sind zunächst die umfangreichen vorhandenen Grundlagen und Mittel auszuschöpfen, die die Gesetzgebung und die Schweizerische Lauterkeitskommission zur Verfügung stellen. Erst wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass diese Mittel offensichtlich ungenügend sind, ist der Gedanke an neue Werbeeinschränkungen opportun.
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