Autor: Hendrik Fischer: zVg (publiziert in «Persönlich», Heft 05/2023)

Im Sommer 2022 wurde eine parlamentarische Initiative im eidgenössischen Parlament diskutiert, die den aktuellen Inhalt des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) mit spezifischen Kriterien versehen wollte. Die Initiantin Isabelle Pasquier-Eichenberger (Grüne) war der Meinung, Kundinnen und Kunden seien nicht ausreichend vor Greenwashing geschützt. Sowohl die Rechtskommission des Nationalrates als auch das Nationalratsplenum selbst haben sich für eine Ablehnung ausgesprochen. Dabei war die Begründung unisono: Der Täuschungsschutz ist bereits heute ausreichend rechtlich gesichert. Auch KS/CS Kommunikation Schweiz ist dieser Meinung.

Die aktuelle Gesetzeslage

Neben dem Landwirtschafts- und dem Lebensmittelgesetz, die bereits Bestimmungen zum Schutz vor Täuschungen enthalten, verbietet auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unrichtige oder irreführende Aussagen über eigene Produkte oder Angebote. Reto Inglin, Rechtsanwalt und Sekretär der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK), betont, dass auch alle Aussagen mit Umweltbezug wahr und klar sein müssen. Unternehmen dürfen sich in ihrer kommerziellen Kommunikation also nicht besser darstellen, als sie tatsächlich sind. «Und das natürlich auch nicht in Fragen mit Umweltbezug», so Inglin. Das heisst: Greenwashing ist schon nach heutiger Rechtslage verboten.

Zusätzlich hat die Internationale Handels- kammer (ICC) ihren Kodex zur Werbe- und Marketingkommunikation ausgeweitet und in einem eigenen Kapitel Regeln zu Werbung und Marketing mit Umweltbezug aufgestellt. Demnach dürfen beispielsweise umweltbezogene Aussagen nur getätigt werden, wenn diese auf zuverlässigen wissenschaftlichen Nachweisen beruhen (Artikel D2 des ICC- Kodex). Da die SLK ihre Arbeit auch auf den ICC-Kodex stützt, werden spezifische Vorschriften wie diese auch in der Schweiz berücksichtigt.

Greenwashing – kein neues Phänomen

Beschwerden zum Thema Greenwashing, also zur übervorteilhaften Darstellung durch unrichtige oder irreführende Aussagen oder Angaben, haben laut Reto Inglin in den letzten Jahren eindeutig zugenommen: «Personen haben die Möglichkeit vermehrt genutzt, eine Beschwerde bei der SLK einzureichen, wenn sie der Überzeugung sind, dass ein Unternehmen oder eine Organisation unrichtige oder irreführende Aussagen macht. Dabei prüft die SLK alle vorgelegten Beweise, ob diese den Grundsätzen der Lauterkeit entsprechen.» Auf die Frage nach der Wirksamkeit der derzeitigen Gesetze und Richtlinien antwortet Inglin, dass er sie für ausreichend hält: «Der Begriff Greenwashing ist heute zwar viel bekannter, das Thema ist im Werberecht aber nichts Neues. Schon vor zwanzig Jahren beurteilten wir Fälle zur Frage, was beispielsweise umweltfreundlich ist.»

Die Schwierigkeit liegt im Detail

Im letztjährigen Vorstoss kritisierte die Rechtskommission insbesondere, dass das vorgeschlagene Verbot «wenig praxistauglich» sei. Die genaue Prüfung der Frage, ob ein Produkt als klimaneutral oder umweltfreundlich angepriesen werden darf, sei mit grossem administrativem Aufwand verbunden. Das bestätigt auch der Sekretär der Lauterkeitskommission: «Sobald es um komplexe naturwissenschaftliche oder technische Fragen geht, ist die Beurteilung von Wahrheit und Klarheit oft schwierig.»

«Genau aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass Beschwerdeführende ihre Beschwerde genau begründen», präzisiert Inglin. Mit pauschalen Aussagen wie «Firma X betreibt Greenwashing» könne keine ausreichende Prüfung vorgenommen werden. Deshalb betont Inglin zwei wichtige Forderungen an Beschwerdeführerinnen und -führer: Einerseits muss konkret mitgeteilt werden, welche Aussagen mit Umweltbezug ihres Erachtens nicht korrekt sind; andererseits muss ausgeführt werden, wieso die Aussagen ihres Erachtens nicht korrekt sind. Ohne diese Ausführungen ist es für das werbende Unternehmen unklar, zu welchen Vorwürfen es überhaupt Stellung nehmen muss. Wird also eine Beschwerde umfassend erklärt, steigen auch die Erfolgschancen, dass auf diese eingegangen wird.

Bestehende Regulierungen ausschöpfen und Zusammenarbeit mit der Wirtschaft suchen

Auch wenn Beschwerden zu Greenwashing inhaltlich komplex, umfangreich und zeitintensiv sind, so bieten sie jeder Person die Möglichkeit, Verstösse zu beanstanden. Die Schwierigkeit liegt dabei nicht in den Kontrollinstrumenten, sondern in der Thematik selbst. Weitere von der Politik verlangte Regulierungsmassnahmen können das Problem der Komplexität der Nachhaltigkeit ebenfalls nicht lösen. Jürg Bachmann, Präsident von KS/CS Kommunikation Schweiz, präzisiert, dass auch bei Greenwashing zuerst alle vorhandenen gesetzlichen Grundlagen und Mittel ausgeschöpft werden sollen, bevor an neue Werberestriktionen gedacht wird.

Schweizer Unternehmen haben in den letzten Jahren grosse Fortschritte bei der Förderung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz gemacht und verbessern sich ständig. Denn Nachhaltigkeit wird von der Kundschaft nachgefragt und von Unternehmen als Chance gesehen. Verbesserungen werden so auch ohne zusätzlichen politischen Regulierungsdruck vorangetrieben. Reto Inglin betont beispielsweise, dass aktuell in der Lauterkeitskommission diskutiert wird, ob es Präzisierungen in den Grundsätzen braucht, um Beschwerden gegen Werbung mit Umweltbezug klarer und einfacher zu prüfen. Diese Herangehensweise stellt sich indes als zielorientierter dar, da die Expertinnen und Experten der Lauterkeitskommission die effizientesten Lösungsansätze bieten können.

KS/CS Kommunikation Schweiz unterstreicht immer wieder, auch bei Greenwashing, dass jegliche Einschränkungen von Werbung zweck- und verhältnismässig sein müssen. Gerade in Themenbereichen wie Nachhaltigkeit, welche enorm komplex sind, wird zu schnell zu politischen Regulierungshebeln gegriffen, ohne dass eine von wirtschaftlicher und rechtlicher Seite angemessene Überprüfung stattgefunden hat. Wenn Regulierungen ihre Ziele verfehlen, schaden sie nicht nur der Werbebranche, sondern der Meinungsäusserungsfreiheit allgemein.