Autor: Hendrik Fischer (publiziert in «Persönlich», Heft 12/2022)

Internationale Plattformen nehmen bereits mehr Werbegelder ein als klassische Schweizer Medien- und Werbekanäle. Zu diesem Schluss kommt die neue Studie des BAK economics-Instituts in Basel, die KS/CS in Auftrag gab. Was bedeutet das für die einheimische Volkswirtschaft?

Jürg Bachmann: Der Werbemarkt unterliegt einem massiven Strukturwandel. Das wissen wir schon seit einiger Zeit. Wie dramatisch dieser bereits ist, zeigt die erwähnte BAK-Studie. Es ist immerhin bemerkenswert, dass bereits jetzt die Hälfte des Werbegeldes auf internationalen Plattformen ausgegeben wird. Die Sogwirkung scheint anzuhalten. Diese Umlagerung von Werbegeldern hat natürlich direkte Auswirkungen auf das einheimische, gut funktionierende Geschäftsmodell der Werbebranche und ihrer Partnerinnen und Partner.

Wie gehen wir damit um?

Nun, Veränderungen hat es schon immer gegeben. Wir leben in einer Marktwirtschaft, die sich dauernd wandelt. Neue Angebote kommen auf den Markt und bisherige verlieren an Aufmerksamkeit und werden irgendwann nicht mehr nachgefragt. Das ist nichts Neues, darauf ist unsere Volkswirtschaft trainiert. Bloss, wie reagieren wir auf diese Entwicklung? Beklagen wir sie und lassen sogar Massnahmen zu, die sie beschleunigen? Oder entwickeln wir Ideen und Rezepte, die den einheimischen Werbemarkt attraktiv zu halten und damit den Abgang von Werbegeldern zu internationalen Plattformen weniger attraktiv machen und den Trend verzögert? Das ist bei KS/CS eine der zentralen Fragen, mit der wir uns täglich beschäftigen. Als Dachverband der Schweizer Werbung suchen wir mit anderen Partnerinnen und Partnern zusammen Wege und Instrumente, um so viel Werbegeld wie möglich in der Schweiz wertschöpfend investieren zu können. Für die Werbeträgerinnen und -träger, die Agenturen, die Vermittlerinnen und Vermittler und natürlich für alle Arbeitsplätze, die an der Werbebranche hängen.

Was können das für Instrumente sein?

Ich sehe zwei Stossrichtungen. Die eine betrifft die klassischen Werbeträger in Print, TV, Radio und Aussenwerbung. Der Trend hin zu den sozialen Medien ist nicht aufzuhalten. Wir sind ja selber Nutzniesserinnen und Nutzniesser und verbringen jeden Tag viel, zuweilen zu viel Zeit in diesen Angeboten. Sie erleichtern uns oft das Leben und unterhalten uns. Es gibt daneben aber viele Konsumentinnen und Konsumenten, für die die Nutzung der traditionellen Medien genauso deutlich zum Tagesablauf gehören. Werbung im Umfeld dieser Angebote ist weiterhin attraktiv. Weil sie interessante Zielgruppen erreicht, dank massvollem Streuverlust auch neue Kundinnen und Kunden, und dazu beiträgt, demokratiepolitisch relevante Inhalte und solche von verbindendem Unterhaltungswert zu finanzieren. Das Plakat seinerseits gehört zu den beliebtesten Werbeträgern überhaupt. Es geht nicht darum, klassische gegen Online-Werbung gegeneinander auszuspielen. Aber die klassischen Werbeformen haben ihre Attraktivität, die man sich gerade vor dem Sog hin zu Online-Werbung nicht genug vor Augen halten kann. Was wiederum die einheimische Werbewirtschaft stärkt.

Und die zweite?

Hier geht es darum, dass sich Bürgerinnen und Bürger, die sich in Abstimmungen zu Werbemöglichkeiten äussern können, klar zum Ausdruck bringen, dass Werbung wichtig ist für die Transparenz jeder Volkswirtschaft. Nehmen wir das Beispiel aus der Stadt Genf. Hier kam ein Referendum zustande gegen einen Beschluss des städtischen Parlaments, Werbung im öffentlichen Raum zu verbieten. Abgesehen davon, dass so ein Verbot in Praxis kaum durchsetzbar sein wird und wieder viel Administration auslösen wird, hoffen wir, dass es möglich sein wird, die Bürgerinnen und Bürger vor der Volksabstimmung davon zu überzeugen, dass in einer Welt ohne Werbung viel Information fehlen wird, nicht nur kommerzielle, auch kulturelle und soziale. Eine angeblich werbefreie Stadt ist kein Gewinn, sondern eine informationslose, intransparente.

Welchen Beitrag kann die Politik leisten?

Einen wichtigen und zentralen. Im Parlament werden laufend und zunehmend Vorstösse eingereicht, die die Werbung für bestimmte Produkte und Dienstleistungen ganz oder teilweise verbieten wollen. Das führt einerseits dazu, dass diese Werbung aus der Schweiz verschwindet und auf internationale Plattformen landet. Denn die Werbung erreicht die Konsumentinnen und Konsumenten auf irgendeinem Weg immer. Sie findet ihren Weg schon. Wird sie hier verboten, fliesst sie halt an einem anderen Ort durch. Durch diese Verbote gehen aber wertvolle Schweizer Werbeplätze und damit auch einheimische Wertschöpfung verloren. Ich halte die Kampagnen gegen Aussenwerbung, die in einigen Städten geführt werden, für schlimm und kontraproduktiv, denn sie schaden der einheimischen Werbewirtschaft. Hier hat die Politik eine Verantwortung zu erfüllen.

Hat sie auch die Mittel?

Im eidgenössischen Parlament sitzen zahlreiche Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die unsere Werte teilen und sich dafür einsetzen. Das ist erfreulich und wichtig für uns. Mit ihnen arbeiten wir von KS/CS aus gut und eng zusammen. Sie unterstützen unsere Bestrebungen für eine freie und leistungsfähige Werbung massgeblich. Es ist wichtig, dass die Werbung weiterhin von einer freiheitlichen Werbeordnung profitieren kann, die Innovation und Wertschöpfung zulässt.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Ein Blick in die Zukunft?

Gemeinsam müssen wir daran arbeiten, dass Werbung in Politik und Gesellschaft wieder jenen Stellenwert bekommt, der ihr zusteht. Als unerlässliches Instrument für die Transparenz der Wirtschaft im Dienst der Konsumentinnen und Konsumenten. Und ausgestattet mit dem gesetzlichen Schutz der Verfassung.