Autorin: Vera Baldo-Tschan Bild: Unsplash
Wünscht jemand keine unadressierte Werbesendungen im eigenen Briefkasten, muss er oder sie es mit einem «Stopp Werbung»-Kleber kundtun. Diese schweizweit bekannte Handhabung hat nun vielleicht ausgedient, denn der Nationalrat hat im März einem Paradigmenwechsel zugestimmt. Der Nationalrat nahm in der Frühjahressession die Motion der Grünliberalen Nationalrätin Katja Christ mit 96 Ja-Stimmen und 85 Nein-Stimmen an. Unadressierte Werbung darf somit in Zukunft nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Empfängerin und des Empfängers zugestellt werden. Konkret würde dies bedeuten, dass Personen explizit einen «Bitte Werbung»-Kleber auf ihrem Briefkasten bräuchten oder sonst niemals Werbung im Briefkasten auffinden würden. Ausnahme wären weiterhin Sendungen, auf welche sich die Zustellorganisationen mit den Konsumentenschutzorganisationen geeinigt haben. Dabei handelt es sich insbesondere um Sendungen von Behörden, amtliche Publikationsorgane sowie Sendungen von politischen Parteien.
Inwiefern beispielsweise regionale Gratiszeitung von der Motion betroffen wären, hinge gemäss Marc Schwenninger, Leiter Rechtsdienst bei KS/CS Kommunikation Schweiz, vom allfälligen konkreten, noch auszuarbeitenden Wortlaut, der auf der Motion basierenden Gesetzesbestimmung ab: «Der aktuell geltende ‘Stopp Werbung’-Kleber hat beispielsweise keine Sperrwirkung für rein redaktionelle Publikationen».
Allbekannt und altbewährt
Nationalrätin Katja Christ argumentiert in ihrer Motion, dass mit ihrem vorgeschlagenen Systemwechsel künftig unnötige Papierabfallberge vermieden werden könnten: «Nachhaltigkeit beginnt vor der Haustür und damit im eigenen Briefkasten». Ausserdem sei dieser Systemwechsel der liberalere Lösungsansatz. Denn es sei gemäss der Nationalrätin liberaler zu sagen, dass man etwas will und nicht, dass man etwas nicht will.
Der Bundesrat lehnt die Motion ab und sieht die Verantwortung der nachhaltigen Werbepolitik klar bei den Unternehmen und nicht bei der Abwicklung der Zustellung. Das heute gültige, einfache und zielführende Annahmeverweigerungsrecht reiche aus, um unerwünschte Werbesendungen effizient zu reduzieren. Es gelte seit mehreren Jahrzehnten und sei gemäss Bundesrat in der Bevölkerung gut bekannt und verankert. Beschwerden gegen die Missachtung der Kleber können bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission jederzeit eingereicht werden. Wenn der Ständerat nun der Motion Christ ebenfalls folgt, wäre die darauffolgende Gesetzgebung selbstverständlich bindend für die Rechtsprechung der Schweizerischen Lauterkeitskommission.
Opt-in versus Opt-Out
Das Opt-Out-Verfahren existiert schon, seit es Werbung in Briefkästen gibt. Der Grundsatz Nr. C. 4 der Schweizerischen Lauterkeitskommission hält die verschiedenen Regelungen bezüglich adressierten und unadressierten Werbeformen fest. An diesem Grundsatz können sich Werberinnen und Werber in der Schweiz orientieren. Bei adressierter Werbung sowie beim Tür-zu-Tür Verkauf gilt beispielsweise das Opt-Out-Prinzip, sprich Personen können sich auf der Robinsonliste des SDV Schweizer Dialogmarketing Verbandes eintragen und werden dann nicht beworben. Auch beim Telefonmarketing gilt das Opt-Out-Prinzip, wo Personen mittels sogenanntem Sternen-Eintrag ihrem Telefonnetzanbieter mitteilen müssen, falls sie nicht angerufen werden wollen.
Klar gesetzlich geregelt ist das Opt-In-Prinzip für Massenwerbung, welche ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch gesendet wird. Das betrifft beispielsweise das Marketing mittels E-Mail, SMS, Instant-Messaging-Dienste oder Messaging-Dienste von Social-Media-Plattformen. Das heisst keine Person darf angeschrieben werden, ohne dass sie aktiv ihre Einwilligung vorab schriftlich mitgeteilt hat. Eine Ausnahme gibt es jedoch, nämlich dann, wenn zwischen dem Unternehmen und den Adressaten eine Kundenbeziehung besteht.
Dieser neuere Ansatz könnte uns in der Schweiz in Zukunft vermehrt beschäftigen: «Eine Tendenz zu Opt-In ist allenfalls in der Europäischen Union erkennbar, wo basierend auf der Datenschutzgesetzgebung bei der Nutzung von individuellen Personendaten häufig ein Opt-In gefordert wird», sagt Marc Schwenninger.
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